Reflexionsräume kinematographischer Ästhetik. Konvergenzen filmischer und realer Räume in Kunstinstallationen und inszenierter Fotografie
Das DFG-geförderte Forschungsprojekt untersucht in drei Teilbereichen künstlerische Aneigungspraktiken filmischer Raumkonstruktionen, die in Form von Installationen und inszenierten Fotografien ein zentrales Themenfeld der Kunst seit den 1970er-Jahren bilden. Es widmet sich dabei den historischen Voraussetzungen und der Theorie filmischer Raumkonzepte in der Gegenwartskunst. In exemplarischen Fallstudien untersucht es zum einen die kinematographischen Darstellungsmodi bewegter Projektionsbilder mit ihren semantischen Bezügen zum (architektonischen) Präsentationsraum in der Installationskunst; zum anderen beleuchtet es unter dem Aspekt der Entgrenzung und Hybridisierung postmoderner (Bild-)Raumkonstruktionen die genealogischen Beziehungen der installativen künstlerischen Praxen zu den Bildraummontagen der inszenierten Fotografie.
A. Dislozierungen und Rekonstruktionen filmischer Räume in installativen Konzepten (Frohne)
Die vielfach erörterte „Einverleibung“ überlieferter Kunstformen durch den Film findet sich als reflexive Figur in künstlerischen Installationen und Fotografien wieder, die filmisches Found-Footage-Material als konstituierende Elemente der künstlerischen Konzeption verarbeiten oder sich Filmsets und andere, ähnlich kulissenartige Raumkonstrukte bildlich aneignen. Die künstlerische Verhältnisbestimmung von filmischen Imaginationsräumen gegenüber realen Topographien setzt diese Auseinandersetzung oftmals an Originalschauplätzen und (Dreh)-Orten legendärer Filme der Kinogeschichte fort, um in der Konfrontation mit dem genius loci der Filmerzählung eine mögliche Rückgewinnung des Realitätsgehalts der filmischen Fiktion zu erproben. Vor allem auf semantischer Ebene tritt das Bewusstsein für die räumlichen Dimensionen als Determinanten der kinematographischen Illusion deutlich hervor und artikuliert sich als Prinzip: Raum und Zeit erweisen sich als plastische Kategorien in der künstlerischen Praxis. Der räumliche Rahmen kinematographischer Installationen formiert sich als Hybridfigur, die die formale Struktur des Kinos mit den Rauminterventionen minimalistischer Skulptur verbindet. Darin zeigt sich ein entscheidender Unterschied zwischen der Kino-Projektion eines Feature-Films und dessen Re-Inszenierung in kinematographischen Installationskontexten. Erstere ist bestrebt, sich selbst als Gegenstand in der vollständigen Referenzillusion aufzuheben und dadurch auch seine Materialität zu negieren. Diese negierte technisch-apparative Dimension des filmischen Raums, die einen auf das Bild fixierten Modus des Zuschauers voraussetzt, wird in der kinematographischen Installation etwa durch Betonung der skulpturalen Eigenwertigkeit von Video- bzw. Film- und Diaprojektoren oder durch die plastische Präsenz des filmischen Zelluloidstreifens, der den Installationsraum mäandernd durchquert, in die ästhetische Erfahrung eingeschlossen.
B. Deutungen von Architektur in filmischen und installativen Räumen (Haberer)
Das Projekt konzentriert sich auf Aspekte der Wechselwirkung zwischen installativer Architektur, architektonischer und filmischer Rahmung in der zeitgenössischen Installation. Als konstitutiv für die Bezüge der installativen Kunstkonzepte zu den filmischen Raumeffekten erweisen sich das Motiv und die Materialität der Architektur, welche sich in vielfältigen semantischen Überschneidungen der rahmenden Einbauten des Ausstellungsraumes mit den filminternen Kulissenbauten als ein genuines und zentrales Bezugsfeld sowohl kinematographischer Installationen als auch szenischer Fotografie darstellt. Grundsätzlich setzt die Analyse derart transdisziplinärer und konstellativer Bezugsfelder einen erweiterten Architekturbegriff voraus. Dieser wird den provisorischen Charakter der Rahmenkonstruktionen als konstitutiv für die ästhetische Gestaltung der Fiktions- und Realräume im Film, in Installationen sowie in den für das Foto rekonstruierten Räumen und Architekturmodellen berücksichtigen. Architektur tritt in den Kunstinstallationen und Fotografien als ein zentrales Dispositiv der filmischen Raumkonzeptionen in diversen, einander oftmals in den einzelnen Werkbeispielen überlagernden semantischen Referenzen in Erscheinung. Die medialen und materiellen Aspekte architektonischer Raumbildung in Installationen und Fotografien rekurrieren zum einen auf die Kinoarchitektur als klassischen Raum der Filmrezeption und die hierin verankerten Hierarchien und historischen Kontinuitäten. Zum anderen zitieren die Video/Filmsequenzen die provisorischen Kulissenarchitekturen filmischer Fiktionsräume in ihren Bildräumen ebenso wie in Form referentieller Einbauten, deren hybride Raumgestaltungen nicht erschöpfend über die Kategorien der Black Box und des White Cube behandelt werden können.
C. Grundfiguren der fotografischen Aneignung des filmischen Raums (Urban)
Dieses Teilprojekt widemt sich unter der Prämisse einer aktuell in der Kunst gattungsübergreifend wirksamen kinematographischen Ästhetik der inszenierten Fotografie, in der ein solcher Rekurs auf Bildwelten des Films schon seit den 1970er Jahren festzustellen ist. Leitend ist die These, dass in der frühen, inszenatorisch-konzeptuellen Fotokunst eine historische Wurzel und bis heute ein paralleles Phänomen zu der gegenwärtig in zahlreichen Ausstellungen präsenten Kunstform der kinematographischen Installation zu sehen ist. In Auseinandersetzung mit dem bis in die 1960er Jahre vorherrschenden antitheatralen Paradigma in der Kunst konnte hier, begünstigt durch die Verwendung von Fotografie, Film und Video zur Dokumentation der neuen performativen Praktiken, zuerst eine inszenatorische, cinematisch-effektvolle Illusionsästhetik wieder Fuß fassen. Die strukturelle wie genealogische Verwandtschaft der beiden künstlerischen Gattungen und damit die schrittweise Hinwendung der Kunst zum Kino lassen sich an der Frage des Raums grundlegend erläutern: Der filmische Raum, der im Spannungsverhältnis von On- und Offscreen als ein dem Realraum nachgebildetes, handlungstragendes Kontinuum wirksam, und gleichzeitig ästhetisch autonomes Konstrukt ist, zeigt sich vielfältig mit dem kinematographischen Dispositiv verflochten. Er lässt sich mit aktuellen kunstwissenschaftlichen Forschungen zum Raum als Kategorie einer immersiven Wirkungsästhetik im Zuge einer Entgrenzung des Bildes fruchtbar in Beziehung setzen, die für die Installationskunst ebenso wie für die illusionistisch cinematische Fotografie Gültigkeit besitzt. Schließlich greift die Fotografie ihrerseits in Form von seriellen Präsentationen, Dia-Projektionen und transluzenten Leuchtkästen in den Realraum aus und hat damit auf ihre Weise installative Settings antizipiert.