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Sympathy, Imitation, Ambition.

Discovering Medieval South Italy 1750 – 1950


Projektleitung: Prof. Dr. Gabriella Cianciolo Cosentino

Von der DFG gefördertes Buch- und Forschungsprojekt (abgeschlossenes Habilitationsprojekt im Druck)

Mein Interesse gilt dem transnationalen Dialog zwischen Baukulturen und der Rolle der Architektur als Produkt sozialer und politischer Aushandlungsprozesse. Diese Habilitationsschrift ist die erste umfassende Studie zur Rezeption und dem Revival süditalienischer Mittelalterarchitektur in Europa zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert.

Von den Normannen zu den Schwaben haben jeweils aufeinanderfolgende Dynastien in Süditalien vom 11. bis zum 13. Jahrhundert ein vielfältiges politisches Umfeld geschaffen, das zur Entfaltung einer außergewöhnlich reichhaltigen Architektur beitrug, die sowohl von östlichen als auch westlichen Kulturen beeinflusst war. In der sizilianisch-normannischer Architektur fließen islamische, byzantinische und romanische Elemente zu einer harmonischen Einheit zusammen, die mit dem Begriff ‚Synkretismus‘ bezeichnet wird. Die Architektur Friedrichs II. von Hohenstaufen im Königreich Sizilien schließt eine Reihe von Festungen, Burganlagen und Sommerresidenzen ein, die eine Topographie der imperialen Macht bilden, zu denen Architekturikonen wie Castel del Monte in Apulien und Castel Maniace in Sizilien zählen.

Das süditalienische Mittelalter hat im 19. und 20. Jahrhundert eine vielfältige wissenschaftliche und kreative Arbeit inspiriert, die sowohl den ästhetischen Diskurs als auch die architektonische Praxis während zweier Jahrhunderte tiefgreifend geprägt hat. Dabei handelt es sich nicht nur um ein regionales Revival, sondern um ein europäisches Phänomen der Rezeption, das die Vorlesung thematisiert und kritisch hinterfragt.

Die internationale (und insbesondere deutsche) Begeisterung für die mittelalterliche Architektur des Königreichs Sizilien kann auf zwei größere westliche Strömungen zurückgeführt werden: Nationalismus und Orientalismus. In diesem komplexen Gefüge patriotischer Empfindungen und der Sehnsucht nach dem Exotischen wurde ein erneutes Interesse am faszinierenden Gebiet zwischen Europa und Afrika mit einer überaus reichen und komplexen architektonischen Tradition hervorgerufen, einer Tradition, die für lange Zeit als ‚barbarisch‘ an die Ränder der europäischen Kunstgeschichte verbannt wurde.

Anhand textueller und visueller Quellen wird die Art und Weise erforscht, in der diese reiche und komplexe architektonische Tradition in Deutschland entdeckt, wahrgenommen, dargestellt und nachgeahmt wurde. Welche Gründe haben dieses Interesse an einem Randgebiet zwischen Europa und Afrika hervorgerufen? Unter welcher politischen Agenda und ideologischen Konstrukte ist dieses Phänomen der Mittelalterrezeption zu verstehen?

Besonders werden dabei die ideologischen Hintergründe der kunsthistorischen Narrativen berücksichtigt sowie die nationalistischen und imperialistischen Ziele von Bauherren und Architekten, welche sich die architektonischen Meisterwerke der mittelalterlichen Ahnen (Normannen und Hohenstaufen) als Ikonen und Vorbilder für zeitgenössische Bauunternehmen angeeignet haben.

Diese und andere Fragen zu Transformationen und Hybridisierungen, zu Verschiebungen von Zentren und Peripherien, zur Mobilität von Personen und Kunstformen im Mittelmeerraum erlauben es, traditionelle Forschungsansätze in der Architekturgeschichte des 19. Jahrhunderts zu hinterfragen und sich neuen Perspektiven zu öffnen.